So regelmäßig es in meinem Leben möglich ist, findet man mich auf der Yogmatte. Ein Stillkind und ein Trotzkind helfen nicht unbedingt in Sachen hohe Frequenz, aber das wussten wir ja schon vorher.
Yoga heißt meine Matte und ich. Und sonst nichts. Kein Lieblingskind, das an mir zieht, kein Lieblingskind, dessen Nase ich putzen/Hintern auswischen/Buch vorlesen/stillen oder am besten alles gleichzeitig ich darf. Und das ist auch echt mal sehr ok.
Meine Matte und ich?
So ganz stimmt das leider nicht. Da sind nämlich auch noch meine Gedanken. Die rattern und rattern und rattern. Und das vorzugsweise dann, wenn es ganz still um mich wird. Dann wird es in meinem Kopf immer lauter und noch lauter. Da diskutiere ich mit mir und noch öfter gegen mich.
Früher war alles besser.
Früher hatte ich Zeit regelmäßig zu meditieren. Den Gedankenmüll auszumisten. Da war es wesentlich ruhiger. Heute bin ich stolz, wenn ich auf der Yogamatte stehe. Denn momentan nimmt kaum jemand beide Lieblingskinder gleichzeitig. Eines ja. Aber gleich beide?
Manchmal, wenn ich so auf der Yogamatte stehe, frage ich mich, wie es wohl wäre, wenn alle im Yogaraum ihr Gedankenkarussel laut aussprächen. Denken die anderen auch so viel oder bin ich die einzige? Wäre dann plötzlich ein lautes Stimmengewirr im Raum zu hören? Oder wäre da nur meine Stimme?
Waaaas?
Kürzlich war ich in einer geführten Einheit. Soll heißen, da steht der/die YogalehrerIn vorne und sagt die Asanas an.
Mir sind ja die freien Übungseinheiten, Mysore genannt, lieber. Da kommt und geht man, wann man will und macht so lange, wie die Lieblingstochter sich nicht die Seele aus dem Leib schreit vor Hunger oder die Lieblingskindbetreuung w.o. gibt (auch der bester aller Männer stößt momentan recht schnell an seine Grenzen).
Geführte Einheiten, also Kurse, haben fixe Beginnzeiten. Und wer mit Lieblingskleinkindern je versucht hat irgendwo pünktlich zu sein, weiß, dass das ganz leicht in Stress ausarten kann. Deshalb versuche ich auch Termine, die auf Pünktlichkeit ausgerichtet sind, in dieser Lebensphase zu vermeiden.
Ich stand also in diesem Kurs. Wenn ein Asana nach dem anderen diktiert wird, wird’s wenigstens im eigenen Kopf nicht so laut. Hat auch was.
Dann kamen die Schlusspositionen.
Brücke – Kerze – Kopfstand
„Wer nicht mehr kann oder nicht mehr mag, der geht einfach in die Stellung des Kindes und entspannt sich.“
Der Satz hat gesessen.
Wer nicht mehr mag?
Was heißt denn das bitte?
Die Frage, ob ich nicht mehr mag, die gibt es nicht in meinem Alltag. Mag ich bei der Lieblingstochter x Windeln pro Tag wechseln? Mag ich den Lieblingssohn, der mittlerweile Windeln verweigert, komplett säubern, weil er vergessen hat, dass er Gacki muss (und danach auch noch seine Kleidung, Prost Mahlzeit)? Mag ich kochen-putzen-waschen und das jeden Tag immer und immer wieder? Mag ich wöchentlich zu vier Ärzten gehen und gefühlte Ewigkeiten in Wartezimmern absitzen (es sind wirklich so viele momentan, die Lieblingskinder schnappen sich jeden noch so kleinen Keim)?
Den lieben langen Tag mache ich so viele Dinge, die ich eigentlich gar nicht mag. Oder zumindest nicht in dieser Häufigkeit. Und ich frage mich nicht, ob ich diese Dinge mag, weil es so ist, wie es ist.
Ich funktioniere.
Und wenn ich dann mal Zeit, Raum und Ruhe für mich habe, dann wird es laut in meinem Kopf.
„Wer nicht mehr mag, der entspannt sich.“ Der Satz hatte wirklich gesessen. Ich fing an zu überlegen. Was mag ich eigentlich? Und da wusste ich es.
Ich wollte Entspannung. Ich wollte nichts erreichen, nichts erledigen, nichts schaffen, ich wollte sein. Und Punkt.
Brücke – Kerze – Kopfstand leben total gut auch ohne mich. Und mein Körper lebt total gut, wenn er das mal nicht mitmacht.
Aber ich, ich hatte einen Moment des puren Luxus. Ich hatte den Raum mich selbst zu fragen, was ich eigentlich mag. Und ich hatte den Raum mal nicht perfekt zu funktionieren. Sondern einfach nur zu sein. Nichts zu erreichen, nichts von mir zu wollen, sondern einfach nur zu sein.
Ich gehe wirklich gern in Yoga. Nicht weil ich meinen Körper bewege. Nicht weil ich dort eine Möglichkeit zu meditieren finde. Nicht weil ich dort Raum für Selbstreflexion habe. Nicht weil sich der Körper so herrlich anfühlt danach. Sondern weil sich auf der Yogamatte eine Welt öffnet, zu der ich im lauten, hektischen Alltag mit zwei Lieblingskindern wenig Zugang finde.
Die innere Weisheit
Hört sich geschwollen an? Mag sein. Aber so fühlt es sich an. Yoga ist mein Ort der Ruhe und der Kraft. Mein Ort, wo ich Zugang zu meiner inneren Weisheit finde.
Das braucht jeder
Und erst recht jede Mutter. Die Tage sind zu lang und zu kurz zugleich. Meist beginnen sie zu früh und am Abend fällt frau erschöpft ins Bett. Und ist wieder nicht mir allen Erledigungen fertig geworden. Und diesen Raum, diesen Ort der Ruhe und der Kraft, den braucht es. Den braucht es regelmäßig. Jedenfalls jede Woche. Damit sich die Batterien immer wieder anfüllen und wir immer wieder Zugang zu uns selbst finden.
Alles Liebe,
Deine Elisabeth
ps was ist Dein Ort der Ruhe und der Kraft? Schreib gleich hier unter diesem Artikel, ich bin neugierig! Erzähl uns, was Du so machst, um Deine Batterien aufzufüllen!
Liebe Elisabeth,
in dieser Lebensphase, die dir ganz viele Abläufe einfach vorgibt, d.h. Strukturen, die du NICHT frei wählen kannst…..in diesem Lebensabschnitt hilft es, das du überall in ganz vielen Ministeps bewusste Entscheidungen triffst und dir ganz oft Mini-Auszeiten-Momente gönnst.
Wie du so schön geschrieben hast …. sogar auf der Rolltreppe.
Ich finde, das du in jedem freien Moment, wo du eine bewusste Wahl treffen kannst das sehr gute Recht hast einfach mal gar nichts zu tun! Genau.
Nur Atmen und sonst nichts. Und falls irgend möglich liebevoll mit dir sein. Dich so annehmen, wie du gerade bist. Auch wenn du das Gefühl hast, du brauchst dauernd Entspannung.
Yup! Dann ist es so. Ist sowieso nur deine subjektive Wahrnehmung. Lass deinen Kopf reden 🙂
Ich wünsche dir zur Geburt alles Gute! Kraft und gleichzeitig Sanftheit und alles, was du dir wünschst.
KAREN
Danke, liebe Karen!
Sehr schöner Beitrag, liebe Elisabeth ☺ Das ist nämlich die Gefahr beim Yoga (und gleichzeitig eines der wichtigsten Erkenntnisse beim Yoga), dass wir dort auch höher, schneller, weiter wollen. Oft meinen wir auch dort, funktionieren zu müssen, das machen zu müssen, was der Yogalehrer vorn erwartet.
Inzwischen bewundere ich meine Yogaschüler dafür, wenn sie eine Haltung auslassen/anpassen oder zwischendurch mal in die Stellung des Kindes gehen. Dann weiß ich, dass ich mein Yoga richtig kommuniziert habe.
Danke, dass du mich daran erinnert hast ☺ Liebe Grüße Nicole
Liebe Nicole!
Für mich war es eine der wichtigsten Erkenntnisse, dass ich beim Yoga nichts erreichen muss. Yoga ist schließlich keine olympische Disziplin und das aus gutem Grund. Und- genau wie Du sagst – für die Stellung des Kindes (eine Entspannungsposition) braucht es manchmal mehr Mut und innere Klarheit als für den 7. Sonnengruß.
AL Elisabeth
Liebe Elisabeth! Mein Kraftort ist mein Bett in meiner Nische. Ich bin Alleinschläferin in aufrechter Liebespaarbeziehung, und mein Bett ist mein Ort der Selbstbestimmtheit, des In Die Luft Schauens, des Lesens, des Regenerierens. Dort ist auch Platz für Besuche und zum Kuscheln.
Meine drei Kinder sind schon groß – oder in der großen Trotzphase, also nicht mehr so dicht an mir und abhängig wie die deinen – für uns war diese Lösung jedenfalls ein Gewinn für alle Beteiligten!
Ich wünsche mir, dass sich ganz viele Mamas durch deinen Artikel ihrem Kraftort, ihrer Krafttärigkeit bewusst werden und selbstfürsorglich werden und bleiben! Schließlich ist eine selbstfürsorgliche Mama der es gut geht das Beste für unsere Kinder!
Liebe Sandra!
Danke für Deine lieben Worte! Wir machen momentan co-bedding und das ist wunderschön so. Und irgendwann ist diese Phase vorbei, ich werde endlich wieder besser schlafen und mich mehr entspannen und der Zeit nachtrauern, als ich einen Fuss vom Lieblingssohn im Gesicht hatte und eine hungrige Lieblingstochter auf der anderen Seite ;-).
Ein Hoch auf selbstfürsorgliche Mütter!
AL Elisabeth